Freitagsrunde.
"Wir sind alle über 40“ von Manfred Sinnwell
Der Songtitel „Wir sind alle über 40“ von Brunner & Brunner regte mich zu ein paar Gedanken über die „berühmte Freitagsrunde“ an.
Im Text heißt es: "Die Zeit vergeht, so wie der Wind zieht sie vorbei. Kannst sie verleben, denn Du fängst sie niemals ein. Wir bleiben jung, solang die Leidenschaft noch lebt, solang in uns sich noch was regt."
'Ist das wirklich so oder nur ein Wunschtraum?
Wunschträume gehören zum menschlichen Leben, weil sie es uns ermöglichen, die zum Teil unbefriedigende Wirklichkeit in unserem Dasein zu korrigieren. Sie helfen uns unliebsame Erlebnisse und Tatsachen, die wir schwerlich akzeptieren, zu verarbeiten. Realität dagegen ist, dass die insgesamt zwölf aktiven (9) bzw. inaktiven Mitglieder (3) der Freitagsrunde zusammen 864 Jahre zählen, was einem Durchschnitt von 72 Jahren entspricht. Welche Geheimnisse verrät uns das „Freitagsrunde – ABC“ ?
F wie Freitag. Die Namensgeberin für den Wochentag Freitag ist Freia (Frigg), die germanische Göttin des Frühlings, der Schönheit und der Liebe. Auch wenn altersmäßig die Mitglieder der „Freitagsrunde“ eher dem Herbst als dem Frühling zuzuordnen sind, sollte man ihnen durchaus den Wunschtraum eines „zweiten, dritten… Frühlings“ gönnen. Was die Schönheit betrifft, so lacht der Spiegel, wenn sie hineinschauen. Für die Liebe gilt, was die französische Modedesignerin Coco Chanel einmal sagte: “Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe vor dem Altern.“
R wie Racket. Jeden Freitagabend kämpfen in der Hallensaison vier Doppel in wechselnder Besetzung in der Zeit von 18:00 – 20:00 Uhr um den Sieg, getragen von dem Wunsch und dem Fünkchen Hoffnung auf Erfüllung. Acht ehrgeizige Spieler jagen mit ihren Rackets in unterschiedlicher Spielqualität, mit ihren Wehwehchen und Zipperlein die gelben Filzkugeln über oder in das Netz.. Gelegentlich kommt es dabei zum Rollentausch: Das vermeintlich schwächere Doppel siegt und das ist gut so. Racket heißt aber nicht nur Schläger, sondern in der Übersetzung aus dem Englischen auch Lärm, Krach, Radau, Geschrei, Aufregung, Spektakel und in der Umgangssprache Schiebung sowie Gaunerei. Ein Schelm, der glaubt, die Mitglieder der „Freitagsrunde“ seien dazu fähig!
E wie Esprit. In der französischen Sprache bedeutet l’esprit Geist, Witz, Gewitztheit, geistige Verfassung, Scharfsinn und ist die Fähigkeit zu überraschenden und gehaltvollen Assoziationen (bewusste oder unbewusste Verknüpfung von Gedanken). Meist erfordert Esprit Intelligenz und Klugheit. Das Team der „Freitagsrunde“ ist intelligent genug, sich gegenseitig zu akzeptieren. Der Vorteil der Klugheit besteht nach Kurt Tucholsky darin, dass man sich dumm stellen kann.
I wie Individualität. Im weitesten Sinn bedeutet sie, dass ein Mensch sich von anderen unterscheidet. In der „Freitagsrunde“ zeigen sich selbstverständlich Unterschiede in Bezug auf politische und religiöse Überzeugungen, unterschiedliche Interessen und Wertvorstellungen sowie die Art, sich mitzuteilen. Aber Übereinstimmung besteht in der Begeisterung für das Tennisspiel und die über viele Jahre gewachsene Gemeinschaft. In jedem von uns steckt etwas Wertvolles , das in keinem anderen ist.
T wie Tatsache. Sie ist eine Gegebenheit, ein objektiver Zustand der Realität. Immer öfter werden Ersatzspieler in der „Freitagsrunde“ eingesetzt, sei es aus privaten, sei es aus gesundheitlichen Gründen. C’est la vie. Tatsache bleibt: Die „Freitagsrunde“ in ihrer Originalbesetzung ist einmalig und kreativ. Das gilt gleichfalls für inaktive Mitglieder wie für Ersatzspieler.
A wie Alter. Darüber gibt es ernsthafte, ironische und lustige Aphorismen, wie z. B.
Warum bekommt der Mensch die Jugend in einem Alter,
in dem er nichts davon hat? George Bernard Shaw
*
Mit zwanzig Jahren hat jeder das Gesicht, das Gott ihm gegeben hat,
mit vierzig das Gesicht, das ihm das Leben gegeben hat
und mit sechzig das Gesicht, das er verdient. Albert Schweitzer
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Im Alter bereut man vor allem die Sünden, die man nicht begangen hat. William Somerset Maugham
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Von einem gewissen Alter an tun auch die Freuden weh. Charlie Chaplin
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Ich bin in das Alter gekommen, in dem ich erst mein Gebiss und mein Hörgerät nötig habe,
um zu fragen, wo meine Brille ist. Tina Turner
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Alter: Die Zeit, in der ein hübsches Mädchen Erinnerungen statt Hoffnungen weckt. Robert Lemke
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Ein Archäologe ist der beste Ehemann, den eine Frau haben kann.
Je älter sie wird, um so mehr interessiert er sich für sie. Agatha Christie
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Kluge Leute verstehen es, den Abschied von der Jugend
auf mehrere Jahrzehnte zu verteilen. Françoise Rosay.
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Einen Menschen zu lieben heißt einzuwilligen, mit ihm alt zu werden. Albert Camus
G wie Gesundheit. Auch wenn Jugend und Lack weg sind, die Knochen knacken, Muskeln und Sehnen schmerzen, bringen es die Freitagsrundenspieler auf erstaunliche Fertigkeiten. Könnten wir uns über Gesundheit nur halb so freuen, wie wir uns über jede Krankheit grämen und Sorgen machen, wären wir glücklich! Ich zitiere den deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer: „Überhaupt aber beruhen neun Zehntel unseres Glücks allein auf der Gesundheit. Mit ihr wird alles eine Quelle des Genusses, hingegen ist ohne sie kein äußeres Gut, welcher Art es auch sei, genießbar.“
S wie Senioren. Im Medium Sprache bezeichnet man Senioren als ältere Menschen im Rentenalter oder als Ruheständler. Dies trifft auf die Mitglieder der „Freitagsrunde“ zu. Im Sprachgebrauch ersetzt „Senioren“ den weitgehend negativ besetzten Begriff der „Alten“ und wertet ihn auf. In Zusammensetzungen wird dies z.B. deutlich:
Seniorenheim, Seniorenresidenz statt Altenheim,
Seniorenreisen statt Altenreisen,
Seniorenkarte statt Altenkarte,
Seniorenteller statt Altenteller,
Seniorentreff statt Altentreff,
Seniorenausweis statt Altenausweis,
„Seniorenrunde“ statt „Freitagsrunde“ ?
Nein, in diesem Fall ist „Freitagsrunde“ nicht ersetzbar!
R wie Reise. Hier geht es nicht um Seniorenreisen. Ich denke an die erlebnisreichen Fahrten der „Freitagsrunde“. Die letzte war im September 2009 nach Paris. „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“, schrieb vor über zweihundert Jahren der deutsche Dichter Matthias Claudius. Vielleicht bekomme ich doch noch Gelegenheit, einen Bericht über die nächste Reise der „Freitagsrunde“ im Clubjournal zu schreiben!!!
U wie unübertrefflich, unternehmungslustig, unterhaltsam, unnachahmlich, urig, up to date, umfassend gebildet, umwerfend, unbefangen, unspektakulär, unübersehbar, unvergleichbar, uneigennützig … Das alles sind Eigenschaften und Vergleichswörter, die mir für unsere „Freitagsrunde“ einfallen. Wenn man Personen einschätzt, darf man ruhig übertreiben. „Das Urteil kann sich irren, nicht mein Herz“ (Schiller, Piccolomini).
N wie Nostalgie. Da die Freitagsrunde schon über zwei Jahrzehnte besteht, könnte man wehmütig an vergangene Zeiten denken. Es ist keine Flucht vor der Gegenwart, sondern vielmehr eine Erinnerung an eine aufregende Zeit der Medenspiele, an herzliche und feuchtfröhliche Begegnungen mit gleichgesinnten Sportfreunden anderer Tennisvereine und an das Prägende aus dieser Zeit für unsere Gemeinschaft. Wie sagte der israelische Schriftsteller Ephraim Kishon: „Nostalgie ist die innige Sehnsucht nach jenen fernen Tagen, in denen alles so viel besser und schöner war, mit Ausnahme der zahlreichen Dinge, die ebenso beschissen waren, wie sie heute sind.“
D wie Dankbarkeit. In Worten lässt sich Dankbarkeit nur schwer ausdrücken. Meine Dankbarkeit gilt allen Personen der „Freitagsrunde“ für das, was wir gemeinsam erlebt haben und noch erleben werden.
E wie Ende. Ich bin am Ende – mit meinem Bericht über die „Freitagsrunde“. Angefangen habe ich mit einer Textstelle aus dem Song von Brunner & Brunner und schließen will ich mit einer weiteren Strophe:
„Wir sind alle über 40, hab’n im Leben nichts vermisst.
Tiefe Spuren in unser’n Herzen, tausend Sünden im Gesicht.
Die nächsten hundert Jahre, die liegen noch vor uns.
Wir sind alle noch am Leben.“
Herzlicher Gruß
Manfred